Modetrends: Über Gothic und warum Menschen das Skurrile lieben

Gothic ist eine Subkultur – wobei: Gemessen an der Vielzahl an Menschen, die sich als Anhänger dieser Bewegung bezeichnen würden, kann von „sub“ oder „alternativer“ Kultur kaum noch eine Rede sein. Vielmehr handelt es sich um eine andere Form des Mainstreams. Trotzdem ist diese Welt vielen verschlossen. Was fasziniert Menschen daran?

Andrey Kiselev/123RF.COM

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Gothic entsprang aus dem Punk

Um dieser Frage nachzuspüren, muss man sich auf eine Spurensuche begeben: Gothic kommt aus dem Punk. In der sogenannten No-Future-Bewegung vereinten sich in den späten 70ern Menschen, die angesichts des globalen Kapitalismus und einer neuen Kriegsangst keine Zukunft mehr für sich und andere in der Welt sahen. Diesem diffusen Gefühl begegneten sie mit Krach, mit Rebellion und Aggression. Es gab aber auch eine andere Seite. Statt zur Revolution aufzurufen, kehrten sich einige Punks eher dem Nihilismus zu. Aus ihnen entstanden die sogenannten Gothics mit ihrer Faszination für Ausweglosigkeit, Vergänglichkeit und dementsprechend auch dem Tod.

Dass das ein eigenes Modephänomen nach sich zog, ist klar: Hochwertige Gothic-Kleider sind ein gutes Beispiel dafür, wie eine Nostalgie zu einem eigenen, modernen Stil werden kann. Diese Kleider erinnern mit ihren vielen Details und Ornamenten an den klassischen Romantizismus. Man bezeichnete die ersten, die sich in den 70er-Jahren so kleideten, als „New Romantics“. Später kam die Begeisterung für die „schwarze Romantik“, eigentlich ein literarischer Stil des 18. und 19. Jahrhunderts dazu. Auch in dieser Umbruchphase gab es bereits soziale und historische Faktoren, die auf den Trend wirkten. Im 18. und 19. Jahrhundert begann die Industrialisierung und damit das Zeitalter der Aufklärung.

Das fehlen von Religion und deren Mythen kompensierten nicht wenige Menschen durch „aufgeklärte“ Schauergeschichten und einer Suche nach dem Mythischen in der irdischen Welt. Ganz ähnlich verhält es sich heute.

Gothic ist mehr als eine Jugendkultur

Heute gibt es Gothic-Festivals mit vielen hunderttausend Besuchern. Die Subkultur, die keine ist, ist so vielseitig wie nie zuvor. Natürlich gibt es hier innerhalb der Szene auch Grabenkämpfe und nicht jeder, der sich als „Gothic“ bezeichnet, würde auch von einem anderen so genannt werden. Das ist aber egal, denn alle eint die gleiche Faszination: für das Morbide, für das Vergängliche, für das Vergangene und natürlich für die Farbe schwarz. Gothic ist für viele Menschen eine Möglichkeit, ihr reales Ich hinter sich zu lassen und in eine andere Rolle zu schlüpfen. Das fällt umso leichter, wenn die Palette, sich zu kleiden, so vielseitig ist.

Gothics sind in der Lage, ihre gegenwärtige Gestalt bis zur Unkenntlichkeit zu verändern. Und das ist auch gewollt. Dabei lässt sich die Subkultur keiner politischen Orientierung zuordnen und ist länderübergreifend beliebt. Alle eint nur eine bestimmte Ästhetik.